Vierzig

24.5. 2013 20:58

In der Bergstraße beim Kicken zugesehen, mußte die Augen bedecken. Einen ins Aus geschossenen Ball zurück geschossen. Hinterher ein Neuer, der fragt, ob ich ihn kennte. Nein. Oder doch. Auf einer Lesung 2007 im Deutsch-Amerikanischen Institut Heidelberg war er einer von drei zahlenden Gästen. Mit ihm, seiner Freundin, einer Bekannten von mir und dem Veranstalter dann noch trinken, schöner Abend. Später habe ich ihn auch noch einmal bei einer Lesung in Kreuzbung getroffen (und auch erkannt), zufällig hat es ihn nun nach Berlin und in meine ehemalige Mannschaft gespült, guter Spieler, wie eigenartig. Und wie traurig das Gefühl, nicht mehr mitspielen zu können. Auf dem Weg zum Supermarkt laufe ich in mäßigem Dauerlauf fünfzig Meter, das geht, hundert nicht mehr.

31.5. 2013 16:16

Selbstmedikamentiert mit 5 mg Frisium zusätzlich, seit vielen Tagen keine Sprache mehr, Arbeit am Text reiner Unsinn, Worte, Fehler, Suche, Hilfe, Trauer, Sprache mündlich gar nicht. Stimme, Stimmen, Epilepsie von Panik alles nicht unterscheidbar. Dann ist Land wieder da, dann sinke ich zurück, ein Riesenirrsinn, jeden Tag, jeder Tag.

In C.s Gegenwart aushaltbar. Immer wieder schöne Tage. Ich vergesse das immer. Ich habe es mir aufgeschrieben, um es nicht immer zu vergessen. Aber ich vergesse es immer.

Die Hunde hetzen mich, ich töte einen nach dem anderen auf entsetzliche Art, später in der Nacht ist C. gestorben, später kommt der Morgen.

1.6. 2013 4:32

Traum: Ich habe ein Grab im Grunewald gekauft. Ich fahre in die Novalisstraße, wo C. meine alte Wohnung bewohnt. Sie ist nicht zu Hause. Ich schließe mein Rad im Garten an. Dort ist das Grab 92 A. Das ist meins. Die Erde ist frisch ausgehoben. Ich habe meinen Rechner dabei und klappe ihn auf, um zu schauen, ob das W-Lan von C.s Wohnung bis hierhin reicht. Tut es nicht. Ich schwenke das Macbook vor der verschlossenen Wohnungstür. Ich habe keinen Schlüssel.

1.6. 2013 18:46

Seit Tagen Regenwetter. Spaziergang um den See mit C., auf den Steinstufen kurzentschlossen ins Wasser. Erkenntnis, daß ich schwimmen kann und daß C. mich läßt, kein Mensch außer uns, die Brust weitet sich, unter den tropfenden Bäumen, will gar nicht mehr raus aus der Kühle.

2.6. 2013 11:48

Ein Irrsinn jeder Tag. Gleichgültigkeit, Manie, Angst, Freude, Arbeit,Begeisterung im Minutentakt.

Ausnahmsweise hat C. die ganze Nacht einen Panikanfall, und ich mache, was C. sonst macht: nichts, ruhigsein.

Am Morgen mit dem Taxi nach Hause zu C. und ihren Medikamenten gefahren und gleich zu mir zurück.

4.6. 2013 7:21

Seit über zehn Jahren gibt es keine sehr starke Verbindung mehr zwischen Passig und mir in unseren Leben, abgesehen von gegenseitigen ausufernden Auslöschungsphantasien in unseren Träumen. Zuletzt im März haute ich Passig solange mit dem Hammer auf den Kopf, bis sie tot war. Passigs Traum der letzten Nacht:

„Ich lese alles über einen mir bis dahin ganz unbekannten, ungelösten Mordfall aus Deggendorf. Mindestens fünf Menschen sind ums Leben gekommen, und obwohl es zahlreiche Spuren gibt, sind die Täter nie gefaßt worden. Unter den Toten ist Herrndorf. Augenzeugenberichten zufolge ist er aufgegessen worden. Natürlich können wir nichts über seine letzten Gedanken wissen, aber ich nehme an, sie lauteten: ‚Schade, dass niemand davon erfahren wird, das hätte Verboten Wolf gefallen.'“

10.6. 2013 22:46

Sitze mit Blick über den Sonnenuntergang wie fast jeden Abend, links die marokkanische Mondsichel, trinke Minztee mit kiloweise Zucker und lade zum Gebet rufende Muezzins auf Youtube und beschalle meinen Hof damit. Auf dem Gelände der Neurochirurgie hebt sich eine nicht sehr große grüne Kuppel in den roten Himmel.

11.6. 2013 18:46

Meiner Bergstraßentruppe bei ihrem Turniersieg in der Kleinen Hamburger Straße zugeguckt. Sie schicken zehn Mannschaften vom Platz, darunter, was mich am meisten freut, den Veranstalter, einen Kleintierzüchterverein mit dem sensationell beknackten Namen Autonama.